Hallo alle
zusammen,
hier nun mein
dritter und letzter Rundbrief aus Südafrika.
Kindergartenausflug
Mit den Kindern machten
wir einen super schönen Ausflug zum Wynberg Park. Es ist faszinierend für mich
zu beobachten, welch ein Erlebnis solch eine Unternehmung für die Kinder hier
ist. Bereits die Busfahrt, war für sie sehr aufregend. Man glaubt gar nicht,
was man alles dabei sehen kann: kurz nach dem Start an der New World Foundation
noch das eigene Zuhause, dann vorbei an einem größeren See mit dem Aufschrei „beach“,
sie dachten wohl das wäre das Meer, dann beim Kreuzen der Bahnschienen
entdeckten sie einen Zug, auch dieses löste großen Jubel aus.
Ein solcher
Ausflug mit einer deutschen Kindergartengruppe würde womöglich eher dazu
führen, dass die Kinder quengelten, wie lange es noch ging, anstatt begierig
alles aufzusaugen. Für unsere Kinder war dieser Ausflug eine der wenigen
Gelegenheiten den Alltag im Township zu verlassen, und ein spannendes Abenteuer
zu erleben. Im Park konnten sie dann frei herumrennen und spielen, was ihnen
super Spaß gemacht hat. Sie rennen auch im Township herum aber dort gibt es
leider keine größere saubere Rasenfläche.
Ist schon super
süß dieses Erstaunen, diese Freude der
Kinder mitzuerleben. Für mich war es ein mehr als beeindruckendes Erlebnis,
dass sicher noch lange in mir wirken wird. Diese Bedeutung der Kleinigkeiten
wurde mir auch am Tag nach meinem Geburtstag, dem Montag 28. Mai, noch mal
deutlich. Hier gibt es für die Geburtstagskinder einen Geburtstagssticker.
Vielen Kindern fiel mein Sticker auf und sie gratulierten mir sofort, was echt
süß war. Eine kleiner Junge hatte am 28.5 Geburtstag und kam gleich mehrfach zu
mir, um mich in den Arm zu nehmen und mir zu gratulieren. War echt super süß!
Mädchen und Jungen
Anderseits sind
solche Ausflüge super anstrengend für uns. Bei den Kleinen, weil wir sehr auf
sie achten müssen, bei den Großen, da hier andere Probleme auftauchen. So
machten wir mit dem Girlsclub zusammen mit dem Boysclub einen Ausflug. Die
erste Hürde war schon, dass die Mädels nichts mit den Jungs machen wollten. Wir
hatten sie jedoch in gemischte Gruppen eingeteilt. Sie ließen sich nur mit viel
Überredungskunst darauf ein, denn meist wollen sie in dem Alter noch nichts mit
dem anderen Geschlecht zu tun haben. Auch diesen Tag haben wir gemeistert. Mit
dem Bus fuhren wir zum South African Nationalmuseum. Viele verschiedene Themen
wie Wale, Haie, verschiedene Dinosaurier, Tiere die in der Vorzeit hier gelebt
haben, sind dort Themen. Dazu gab es Steinmalereien, so wie viele ausgestopfte Tiere
und Nachbildungen.
Die Mitarbeiter
hatten Fragen ausgearbeitet, die in Fünfer- Gruppen gelöst werden mussten. Jede
Gruppe wurde von einem Mitarbeiter begleitet. Leider waren es sehr viele Fragen,
die noch dazu wahllos gemixt wurden. Die Antworten konnten nur durch ein
mehrfaches im Hin- und Hergehen gefunden werden. Angesichts der Größe des
Museums war dies nicht einfach. So ist es nur verständlich, dass irgendwann die
Luft raus war und die Jugendlichen die Lust daran verloren. Anschließend gingen
wir ins Planetarium. Leider war dies nicht so toll, da viele der Jugendlichen
nicht still sitzen konnten. Sie quatschten ständig miteinander oder quietschten
mit den Sitzen. Wenn eine Gruppe erst mal unruhig ist, dann ist es sehr schwer,
sie zur Ruhe zu bringen, die die anderen Gäste gerne hätten.
Kunstprojekt
Ich mache seid
Februar in einem Kunstprojekt mit. Dort wird uns gezeigt, wie wir Kunst anderen
Menschen beibringen können. Darüber hinaus in wieweit Kunst auch als eine Form
des Helfens, für den Umgang mit Gefühlen u.ä. genutzt werden kann. Dazu treffen
wir uns jeden Donnerstag für zwei Stunden und lernen alle möglichen Techniken,
üben diese und erfahren einige interessante Möglichkeiten des Umganges mit
Kunst.
Darauf hin haben
wir: Zain (youth coordinator), Franziska und
ich ein Kunstprojekt an der Hillwood Primere School gestartet dessen momentanes
Ziel es ist, Bilder für die „Retreat Clinic“ zu malen. Dabei geht es zum einen
darum den Kindern Kunst an sich näher zu bringen, Fertigkeiten zu erlernen, zum
andern auch darum Selbstvertrauen in einer Gruppe aufzubauen und natürlich
gemeinsam Spaß zu haben.
Abschied
Nun ist Julie
verabschiedet worden. Eine Freiwillige, mit der wir hier nun acht Monate gemeinsam
gearbeitet haben. Man merkt erst wenn jemand weg ist, wie sehr man sich doch aneinander
gewöhnt hat. Währen Julies Verabschiedung musste ich daran denken, dass es auch
für mich bald so weit ist. Es wird nicht einfach für mich werden Menschen zu
verlassen, die ich ins Herz geschlossen habe und die eine Art Familie für mich
geworden sind. Ganz zu schweigen von den Kindern, bei denen mir immer mehr
auffällt, wie sehr sie sich doch an mich gewöhnt haben. Ich binde ihnen die Schnürsenkel
zu, nehme sie in den Arm, wenn sie heulen und frage einfach mal wie es geht. Ich
schenke ihnen um es zusammenzufassen Aufmerksamkeit, die einige von ihnen
leider nur selten bekommen. Ich merke wie wichtig ihnen diese Aufmerksamkeit
ist, und frage mich öfters was passiert, wenn ich weg bin. Natürlich geht das Leben
weiter und die Kinder werden jemanden finden der ihnen die Schuhe zumacht oder
lernen dies alleine zu machen. Fatima schafft es nun schon alleine. Trotzdem
denke ich, wird für einige erst mal eine Lücke entstehen. Von einer Mutter habe
ich erst vor kurzem erfahren, nach dem sie meinen Namen gehört hatte, dass ihre
Tochter viel von mir erzählt. Mir fällt es schwer dieses zu beschreiben, dazu
fehlen mir die richtigen Worte. Vielleicht könnt ihr ja auch ohne viele Worte
meine Gedanken und Gefühle verstehen.
Ein paar weitere
Gedanken zu der Erkenntnis: „dass man erst, wenn man es nicht mehr hat bemerkt,
was einem fehlt.“ Das ging mir hier oft
so. Abgesehen davon, dass ich vor allem auch meine Familie vermisse, vermisse
ich auch simple Alltagsdinge. Anfangs dachte ich hierüber kaum nach, ja nahm
nicht mal an, dass ich so etwas in der Fremde vermissen könnte. Zum Beispiel
hat unser Haus hier kein zentrales Heizungssystem. Teilweise haben wir „Heater“,
kleine Heizkörper die nicht viel bringen. Die Isolierung kann man als miserabel
bezeichnen: einfache Scheiben, keine Doppelverglasung; eine Deck ohne Dämmung,
leichte Mauern, direkt auf den Boden gebaut u.s.w. Wer nun denkt, was soll’s so etwas braucht man
doch nicht in Afrika, da scheint doch die Sonne und es ist immer warm, der
täuscht sich sehr. Dies trifft sicher für einen Teil von Afrika zu, jedoch
weder für den Norden noch für Südafrika.
Der Winter hier
ist kalt, es gibt zwar keine Minusgrade und keinen Schnee, aber auch ein paar
einstellige Gradzahlen können verdammt kalt sein. In Deutschland sind wir daran
gewöhnt im Winter in warme Häuser zu gehen. Wir gehen durchaus auch gerne bei
kalten Temperaturen spazieren, wissen jedoch, dass wir anschließend wieder in
ein warmes Haus zurückkehren können. Es gibt sicher auch hier in guten
Wohngegenden gut gebaute Häuser mit einem guten Dämm- und Heizungssystem. Wir
haben das leider nicht. Zu wissen, in meinem Zimmer, in unserem Häuschen, wird
es nicht warm, lässt einen zum einen Erschaudern und zum anderen noch mal ganz
anders über unser selbstverständliches Leben in Deutschland nachdenken. Momentan
fällt mir die Kälte vor allem morgens auf, wenn ich aus dem warmen Bett kriechend
mich im kalten Zimmer anziehen muss.
Kulinarisches
Meine Mutter hat
in ihrem Blog aus Indien vor nicht allzu langer Zeit über die Bedeutung unserer
kulinarischen Wurzeln geschrieben. Am Ende fragt sie an, ob das nicht zu viel
des Guten war und sie es hätte besser sein lassen sollen, sich so breit über
dieses Thema auszulassen. Ich denke nein, aus meinem Erleben in einer anderen
Fremde, wenn gleich diese zu Deutschland nicht so fremd ist, wie dies für Indien
zutrifft, so ergeht es auch mir hier so, dass ich entdecke, wie meine
kulinarischen Wurzeln mich prägten. Auch wenn es auf den ersten Blick erscheint,
als gäbe es kaum Unterschiede, so nehme ich diese gerade immer mehr wahr.
Angefangen hat es nach einem halben Jahr ungefähr, dann ging mir auf dass ich Dinge,
die in Deutschland für uns normal sind, vermisse. Das fängt beim Brot an. Hier
gibt es kein richtiges Brot, nur Toast in allen Abstufungen. Als ich hier her
kam und gesehen habe es gibt nur Toast, wenn auch teilweise sehr dunklen dachte
ich mir, es ist nur für ein Jahr, damit werde ich sicher zu Recht kommen. Mittlerweile
hängt mir der Toast jedoch zum Halse raus und ich will wieder richtiges Brot
essen. Ein anderes Beispiel ist der Käse. Hier gibt es zwar durchaus
verschiedene Käsesorten aber im Endeffekt schmecken sie alle gleich, und das heißt
für meine Geschmacksempfindungen nicht unbedingt gut.
Fremde
Viele von euch
waren wahrscheinlich noch nicht länger in der Fremde. Es lohnt sich auf jeden
Fall. Es ist kein Urlaub mehr und so ist nicht nur alles Friede Freude Eierkuchen.
Super neu und aufregend, nein man sieht welche Probleme das Land hat, womit die
Menschen in diesem Land kämpfen. Um es kurz zu machen man sieht Dinge, die
einem als Tourist nicht auffallen. Nicht unbedingt nur weil man dafür zu kurz
im Land ist, nein das Land achtet auch darauf, dass diese Dinge von den
Urlaubern ferngehalten werden. Welches Land will schon, dass die Touristen
sehen, dass es Probleme gibt. Dann kommen sie ja nicht wieder. Also, alles
kaschieren. Wenn man nun aber länger im Land ist, sieht man diese Dinge, das
muss nicht negativ sein, aber es fällt einem auf. Und nun beginnt man dieses mit
seiner eigenen Heimat zu vergleichen. Da die neue Heimat Alltag wurde, ist sie
nun vertrauter. Die Unterschiede werden deutlicher wahrgenommen und auch
bewertet. Was mir dabei vor allem in letzter Zeit auffällt ist, dass vieles für
eine Weile aushaltbar ist. Sei es das Essen, eine komplizierte Gruppe, ein
anderer Umgang mit Mitmenschen. Aber nach einer gewissen Zeit, wünscht man sich
dann wieder etwas Altes zurück. Um die Situation auf Dauer auszuhalten, müsste
man sich den Problemen stellen.
Abschied
Nun komme ich noch
einmal auf den Abschied zu sprechen, denn dadurch, dass die Fremde zur Heimat
und Familie wurde ist der Abschied viel schwerer. Aus dem Urlaub verabschiede
ich mich leicht, ich kann wenn ich will ja noch mal dort Urlaub machen. Mit lockeren
Bekanntschaften hält man meist eh keinen Kontakt mehr. Was aber, wenn aus dem
Urlaub Alltag, Heimat und Familie wird? Wer will sich schon gerne und vor allem
wer kann sich einfach von diesen Dingen verabschieden? Was passiert dann? Wie
verabschiede ich mich? Wie schaffe ich es Kontakt zu halten? Es passiert leider
viel zu oft, dass das Sprichwort: „Aus den Augen, aus dem Sinn“ zutrifft.
Natürlich kann ich, und werde ich versuchen dieses Land wieder zu besuchen, und
ich weiß, dass mich einige mit offenen Armen willkommen heißen werden. Aber mir
ist heute schon klar, es wird dann für mich nur ein Urlaub sein, es wird
wahrscheinlich wenig Zeit sein. Womöglich stelle ich dann fest, dass ich nicht
alle besuchen konnte, die ich gerne besucht hätte. Ich hoffe ihr versteht warum
ich soviel über den Abschied schreibe. Es ist ganz klar ein wichtiges Thema und
ich kann selbst kaum in Worte fassen wie mir dabei zumute ist. Ich hoffe ich
konnte es euch ein wenig näher bringen.
Liebe Grüße aus
dem kälter werdenden Südafrika
Eure Mirjam